In der Untersuchung der 7. Fessel, dem Wunsch nach Formlosigkeit, geht die Welt unter. Es wird klar, dass die dinghafte und permanente Welt in Zeit und Raum, die wir für wirklich gehalten hatten, eine Interpretation der eigentlichen Erfahrung ist.
Als ich diese Fessel erforschte, wurde mir klar, dass ich so eine Erfahrung niemals hätte vorhersagen können, obwohl sie in den buddhistischen Schriften beschrieben ist. Sie war viel zu weit von dem entfernt, was ich kannte.
Die 7. Fessel, der Wunsch nach Formlosigkeit
Der Wunsch nach Formlosigkeit wird oft als der Wunsch nach den formlosen Jhanas angesehen, Vertiefungsstufen der Meditation. Darum geht es allerdings in dieser Fessel nicht.
Wennn du die 7.Fessel aus der Perspektive der 8. Fessel betrachtest, ist es leichter sie zu verstehen, wie sich die 7. Fessel entwickelt hat. Die 8. Fessel entstand vor der 7. Fessel.
In der 8. Fessel wurde das „Ich-Dünken“ geschaffen, das subtile Gefühl von „Ich bin“ oder „Ich existiere“. Nachdem die Unruhe nichts finden konnte, was dinghaft oder permanent war und es möglich machen könnte, dass wir uns immer gut fühlen, wurde einfach etwas erfunden.
Das erste Gefühl von „Ich bin“ entstand.
In der 7.Fessel wird dieser erste Spross des Ichs mit einer angenommenen Fähigkeit „ausgestattet“, der Fähigkeit der Wahrnehmung.
Die Fähigkeit der Wahrnehmung stärkt das Gefühl von „Ich bin“. Auch alle weiteren Fesseln unterstützen dieses erste Ich-Gefühl.
Wenn wir annehmen, dass alles in uns wahrgenommen wird, heißt das, dass eine Welt außerhalb von uns mit Objekten in Zeit und Raum existieren muss, die in unserer Wahrnehmung auftaucht. Damit ist der Eindruck verstärkt, dass es etwas Substanz- und Dauerhaftes gäbe.
Wenn du schon Erfahrung mit den formlosen Vertiefungen (jhanas) gemacht hast, hast du vielleicht schon den Raum jenseits der Wahrnehmung erlebt.
Die Untersuchung der 7. Fessel
Wenn du diese Fessel untersuchst, suche die Fähigkeit der Wahrnehmung selbst.
Mit „Wahrnehmung“ meine ich nicht die Sinnesfunktionen hören und sehen. Wenn z.B. ein Baum „gesehen“ wird, sieht das Auge keinen „Baum“. Das Auge kann nur Lichtwellen empfangen, die in der Netzhaut in feine elektrische Impulse umgewandelt werden.
Wo in dir werden diese elektrischen Impulse zu Bäumen, Sternen oder der Sonne?
Wo in dir ist der Decoder für diese Lichtwellen?
Wo ist der Ort, an dem alles wahrgenommen wird? Woher weißt du, dass es wahrgenommen wird.
Wo in dir taucht der Gedanke „ein Baum“ auf?
Falls du diesen Ort oder die Fähigkeit der Wahrnehmung nicht finden kannst, könnte es sein, dass „Wahrnehmung“ genauso eine Annahme ist wie das Ich?
Das Durchschauen der 7. Fessel
Als bei mir die 7. Fessel wegfiel, ging wirklich für mich die Welt unter. Ich saß gerade auf meinem Trainingsfahrrad zu Hause, in dem berühmten Hamburger Schmuddelwetter wollte ich nicht draußen herumlaufen.
Während ich so vor mich hinstrampelte, schaute ich auf meine Orgel. War sie eine wahrgenommene Orgel oder einfach eine Orgel?
Plötzlich spürte ich einen subtilen Shift und realisierte, dass die Orgel einfach erschien. Wahrnehmung war eine weitere Annahme gewesen.
Während der nächsten Tage trauerte ich. Das war das Ende der Welt, wie ich sie bisher gekannt hatte. Was auch immer ich erlebte, es fand ausschließlich in meinem Erleben statt. Es gab keinerlei Möglichkeit, mehr darüber zu wissen. Ich konnte nicht einfach meinen Kopf aus dem Erleben herausstrecken und mal nachschauen, ob es „da draußen“ auch so etwas gab. Es würde immer nur Erleben sein.
Es war buchstäblich wahr, was der Buddha gesagt hatte.
„Es ist in genau diesem klafterlangen Körper mit seinen Sinnen und Geist, so erkläre ich, in dem sich die Welt befindet, das Erscheinen der Welt, der Wegfall der Welt, und der Weg, der zum Wegfall der Welt führt.“
(Samyutta Nikaya 2.26)
Hast du die 7. Fessel schon untersucht? Was hast du erlebt? Schreibe es in den Kommentar.
Bild von beate bachmann auf Pixabay