Wie fühlt es sich an, zur Realität des Nicht-Ich aufzuwachen? Fühlte ich mich eins mit allem, verzückt, überfließend mit Liebe? Es kam ganz anders.
Ich hatte eigentlich erwartet, wie bei einem Satori überglücklich die Realität zu sehen. Und mit dieser noch lange danach anhaltenden sprudelnden Liebe-Freude hatte ich ebenfalls sicher gerechnet. Aber ein ganz anderes Gefühl tauchte auf: Ich fühlte mich vollständig ernüchtert. Ernüchtert aus einem Traumrausch. So nüchtern, wie ich noch niemals im Leben gewesen war.
Die Suche ist beendet
Und was mich noch sehr beeindruckte: meine Suche kam abrupt zu einem völligen Stillstand. So abrupt, dass das fast körperliche Gefühl auftauchte, ich sei gegen eine Wand gelaufen. Erst jetzt merkte ich, mit wieviel „Tempo“ ich bei meiner Suche unterwegs gewesen war.
Ich las nicht einmal mehr den nächsten Absatz im angefangenen Gespräch. Und auch kein anderes Buch, das im Zusammenhang mit meiner Suche stand. Meine Suche war einfach zu Ende.
Die Welt aus der Perspektive des Nicht-Ich
Ich musste allein sein und ging nach draußen. Es war Sonntag Nachmittag. Direkt neben unserem Haus ist ein kleiner Park. Viele Menschen gingen hier spazieren und lagerten auf der Wiese, der große Brunnen sprühte seine Wasserfontänen in die Luft.
Ich sah sich bewegende Formen unterschiedlicher Gestalt und Farbe. Kurz huschte der Gedanke durch den Kopf: Wie soll ich mich von nun an auf andere beziehen? Ein Du gibt es ja auch nicht mehr. Ein zweiter Gedanke: Das wird sich schon regeln.
Dann an der Kreuzung Elbchaussee. Die Geräusche der vielen vorbeifahrenden Autos und Motorräder. Mein Ohr registrierte Wahrnehmungen ohne Namen. Kurz danach kam ein Gedanke und klebte ein Schild drauf. Motorrad. Kein Schalldämpfer. Seltsam, heute irritierte der Krach mich nicht so wie sonst. Auch die vielen Menschen lösten in mir keine Ablehnung aus wie üblich.
Ich spürte mich gehen und eine große Freude stieg in mir auf. Meine Runde ging zum Museumshafen Övelgönne. Eine Weile lief ich an der Elbe entlang. Meine regelmäßigen Schritte, das Plätschern der Wellen an der Mole, die alten Wohnmobile aus Lübeck und Pinneberg, die sich an jedem Wochenende zwischen die Bauten an der Elbe stellten. Schiffe, die entladen wurden. Schlepper bugsierten ein Containerschiff zum Entladeplatz.
Alles sah ausdrucksvoller aus, eindrucksvoller. Als ob ich zum ersten mal dreidimensional sähe.
Der Eisstand. Ich stellte mich in die Schlange. Vor mir stand ein junges Mädchen mit langen roten, zerzausten Haaren. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Die Farbe und das Muster der Haarsträhnen waren überwältigend schön.
Der Weg zurück. Einfach gehen, vollkommen erfüllend.
Was gibt es noch für ein Nicht-Ich zu erreichen?
Es war klar, das war nicht der Ende des Weges, sondern ein neuer Anfang. Ich kann heute nicht mehr sagen, warum ich es so sicher wusste.
Gedanken fragten: Welche Gesetze wohl auf dem neuen Weg galten? Galten überhaupt Gesetze? Wie würde es weitergehen? In meiner Partnerschaft, in den buddhistischen Gruppen?
Würde ich mit jemandem darüber reden können? Mit wem? Konnte ich überhaupt darüber reden? Würde ich in meinem Blog darüber schreiben können? Was hielt ich überhaupt noch vom Buddhismus? 100 000 Worte über eine so einfache Sache!
Würde ich weiterhin Pläne schmieden? Würden mir noch dieselben Dinge gefallen wie „mit“ Ich? Was würde nun wichtig, was unwichtig sein?
Und gleichzeitig die Klarheit: wo auch immer es von nun an langging, es würde sich finden. Ich fühlte mich auf eine unerklärliche Art aufgenommen von einem Strom, der einfach dahinfloss und mich mitnahm.
„Ich“ brauchte ich nichts mehr zu entscheiden, mein Leben nicht mehr in der Hand zu halten. Welch eine Last von mir fiel!
Schon oft war ich mir wie die alten ägyptischen Priester vorgekommen, die abends komplizierte Rituale vollzogen, damit die Sonne bei ihrer Reise durch die Unterwelt nachts nicht vernichtet wurde, sondern morgens wieder aufging.
Was für ein Unsinn! Die Dinge geschehen einfach, das Leben lebt sich selbst.
Kopfkino, reif für den Oskar
In der Woche darauf waren diese Flitterwochen als Nicht-Ich vorbei. Die Gedanken flogen munter wie eh und je im Kopf herum, meine Wahrnehmung war wieder wie vor dem Erwachen zum Nicht-Ich, kurz, der Alltag war da. Nur eins blieb: Wenn ich die Gefühle und Gedanken untersuchte, waren es einfach Gefühle und Gedanken, die aufstiegen und wieder vergingen. Ein Ich war nirgends zu finden.
Und so wie ich in einem guten Film vergesse, dass es nur ein Film ist, Angst bekomme, lache und weine, so vergaß ich manchmal auch, dass das Leben wie ein Film ist.
In der Woche nach dem Erwachen zum Nicht-Ich begannen die Bestrahlungen gegen den Brustkrebs.
Bestrahlung. Die Therapie mit dem XXL-Gruselfaktor.
Bei dem Gespräch mit der Ärztin und dem Planungs-CT war ich innerlich recht ruhig gewesen. Dann klingelte drei Tage später das Telefon. Eine Praxismitarbeiterin sagte mir, ich müsse noch einmal wiederkommen. Das Herz bekäme zu viel Bestrahlung bei der bestehenden Bestrahlungsplanung ab, sie müssten etwas ändern.
Ich hatte schon gelesen, dass die Bestrahlung Schäden am Herzmuskel und den Herzkrankgefäßen machen kann. Dadurch kann das Risiko für tödliche Herzinfarkte beträchtlich erhöht werden.
Und jetzt ratterte meine Kopf los. Hektisch suchte ich im Internet nach einer medizinischen Studie, aus der ich die erlaubten Strahlendosen entnehmen konnte. „Mein“ Leben stand auf dem Spiel. Ich wollte sichergehen, dass ich mit der Bestrahlung nicht einfach eine Todesart gegen die andere austauschte. Schließlich fand ich eine Studie und ging mit den Zahlen „bewaffnet“ am nächsten Tag in die Praxis.
In der Nacht konnte ich kaum schlafen. Bis zum Arztgespräch und der neuen Planung am nächsten Tag hatte ich Angina pectoris, einen Herzinfarkt und starb daran, dann wieder Krebsmetastasen und starb daran – kurz, ganz großes Kino, in meinem Kopf!
Am nächsten Morgen sprach ich dann mit der sehr kompetenten, freundlichen Ärztin. Es stellte sich heraus, dass die Werte sogar noch im offiziell erlaubten Bereich lagen. In dieser Praxis wollten sie aber weiter darunter bleiben.
Es wurde eine neue Planung gemacht, bei der ich während der Bestrahlung tief einatmen und dann 30 Sekunden die Luft anhalten musste. Dadurch war das Herz nicht mehr im Strahlengang und bekam nur minimale Streustrahlung ab.
Als mein Adrenalinspiegel wieder sank, realisierte ich, dass ich gerade tief in meinen Gedankenfilm eingestiegen war. Und die Gedanken hatten mich im Nu in die Hölle versetzt.
Die Realität ist überraschend undramatisch
Ich hatte keine Lust mehr, immer wieder durch diese Hölle zu gehen. Es gab nur eine Lösung: die Gedanken und Gefühle einfach laufen lassen. Es war ja klar, dass sie selbständig abliefen.
Und in der Wirklichkeit zu bleiben. Also was sah ich, hörte ich, roch ich, tastete ich, schmeckte ich? Das Leben in der Realität war überraschend ruhig, fast ereignislos. Es floss einfach dahin. Ja, trotz Bestrahlung und Krebs, beim genauen Hinsehen geschah nichts besonders aufregendes.
Dieser große Tumult kam nicht aus dem wirklichen Leben.
Er wurde durch die Szenarien ausgelöst, die meine Gedanken entwarfen. Und die Gedanken – der Film – fühlten sich wie die Realität an, Gefühle wurden ausgelöst, darauf reagierten neue Gedanken, neue Gefühle….ein neuer Film. Die allermeiste Zeit meines Lebens hatte ich in diesem Film gelebt, gar nicht in der Wirklichkeit.
Bei der ersten Bestrahlung gingen die Assistentinnen aus dem Raum und sagten, dass es jetzt losginge. Mein Puls fing an zu rasen. Da war er wieder, der Gruselfaktor, produziert von Gedanken.
Was geschah in Wirklichkeit? Ich lag auf einer Liege, die Assistentinnen hatten das Gerät genau auf die Markierungen eingestellt, wie bei einer Röntgenaufnahme. Das Bestrahlungsgerät sah auch so ähnlich aus wie ein Röntgengerät. Dann sagten sie über Lautsprecher: „Tief einatmen“. Und dann geschah – eigentlich nichts. Im Gerät klackerte es einige Male, wenn der Bestrahlungsfilter wechselte. Nach 30 Sekunden konnte ich ausatmen. Das Gerät wechselte die Position und dann geschah das gleiche noch einmal. Von der Bestrahlung selbst merkte ich nichts, genau wie bei einem Röntgenbild.
Ich fühlte mich weiterhin gut, die Bestrahlung beeinträchtigte mein Wohlbefinden nicht. Das Einzige war, dass ich das bestrahlte Gebiet kühlen musste, weil es sehr heiß wurde.
Der ganze Horror wurde allein durch meine Gedanken verursacht – unglaublich!
Gefühle und weicher Atem
Auf der Webseite Liberation Unleashed hatte ich schon gelesen, dass sich nach dem Aufwachen zum Nicht-Ich noch längere Zeit alte Gefühle und Konditionierungen lösen können. Ihr gemeinsamer Faden, das Ich, war als illusionär durchschaut und aufgelöst. Nun reppelte sich sozusagen noch der Rest des Strickgewebes auf.
Nach einem Besuch bei einer unglaublich barschen Onkologin war ich vollkommen durcheinander und aufgelöst. Es brauchte Stunden, bis ich wieder einigermaßen meine Fassung zurückgewonnen hatte.
Als ich dann abends im Bett lag, merkte ich, dass es in mir immer noch sehr unrund lief. Ich atmete weich und blieb bei dem Gefühl. Die Idee mit dem weichen Atmen stammt von Lea Hamann. Im Grunde ist es eine Form der Atem-Achtsamkeit, mir gefällt die Betonung auf dem weichen, sanften Atmen.
Irgendwann schlief ich ein und wachte gegen 5 Uhr morgens wieder auf. Überwältigende Gefühle drängten an die Oberfläche. Ich atmete wieder weich und ließ es einfach geschehen. Nach einiger Zeit fing ich an zu laut zu weinen und konnte für etwa eine Stunde nicht mehr aufhören. Die Gedanken versuchten, einen Namen für die Gefühle zu finden. Nach einigen Versuchen gaben sie auf, kein Name passte.
Ich war noch tagelang in einer sehr verletzlichen ruhigen Stimmung und sagte alles ab, um auch diesen Gefühlen Raum zu geben. Irgendwann klangen sie spurlos ab.
Als Nicht-Ich achtsam sein
Als Nicht-Ich achtsam zu sein ist so viel leichter als vorher. Die Identifikation mit einem Ich erschwert die Achtsamkeit beträchtlich, wie ein großer Klotz, der zwischen „mir“ und dem steht, worauf „ich“ achtsam sein möchte.
Jetzt kommt es mir so vor, als sei viel mehr Luft zwischen der Wahrnehmung von Gedanken, Gefühlen und Sinneseindrücken und der eintretenden Reaktion. Alles fühlt sich leichter an, unbeschwerter.
Natürlich versinke ich manchmal in den Geschichten, die meine Gedanken und Gefühle erspinnen. Und irgendwann tauche ich wieder auf und kann die Geschichten einfach zurücklassen, ohne sie weiterzuspinnen.
All diese Schlagworte: „Achtsam sein, loslassen, im Hier und Jetzt sein“ funktionieren eigentlich erst richtig ohne Ich. Vorher ist es ein „Handeln als ob“. Unter günstigen Umständen kann es einen kurzen Einblick in die Wirklichkeit erlauben. Aber es ist immer eine mehr oder weniger große Anstrengung. Diese Anstrengung fällt als Nicht-Ich weg.
Gott ist nicht in der Welt wie die Rosine im Kuchen, sondern wie der Ozean in der Welle (Thomas Merton)
Mein Grundgefühl im Leben hat sich sehr verändert. Mir wird jeden Tag deutlicher, einfach Teil eines großen Stromes zu sein. Genauer, ich bin der Strom.
Und da Kirchenmusik mein Leben mitgeprägt hat, fallen mir viele christliche Formulieren zu dieser Realität ein.
Wie die von Thomas Merton: Gott ist nicht in der Welt wie die Rosine im Kuchen, sondern wie der Ozean in der Welle.
Oder die von Paulus: Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir.
Oder die Formulierung aus dem Vaterunser: Dein Wille geschehe. Mir hat gerade eine Frau, die ich schon sehr lange kenne, geschrieben, dass sie in einer schwierigen Situation in der Kirche saß und bei diesen Worten des Vaterunsers plötzlich zur Ruhe kam. Die Wahrheit führt immer zur Ruhe, die Last fällt ab.
In der christlichen Sprache würde ich sagen: Dein Wille geschieht, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt noch von mein und dein sprechen möchte.
Besser noch: Das Eine geschieht. Immer, überall. Etwas anderes gibt es nicht.
Lass uns in einem Kommentar an deinen Erfahrungen oder Gedanken dazu teilhaben.
Bild: Courtesy Pixabay von Efraimstochter
Hallo Christiane!
Ein bisschen kenne ich das, was du beschreibst. Das meine Gedanken und Gefühle nicht Ich sind. Das da nur ein Film läuft. Bei dem ich zuschauen, oder sogar mitspielen kann, oder auch nicht.
Mich davon distanzieren zu können, finde ich einerseits sehr angenehm. Andererseits macht es mir aber auch Angst.
Wenn ich nicht ich bin. Wer oder Was bin ich dann? Bin ich überhaupt? Wenn die Dinge einfach passieren und ich auf nichts davon Einfluss habe – wofür lebe ich dann? Und wenn es doch scheinbar Menschen gibt, die Dinge lenken und beeinflussen, ich aber einfach alles geschehen lasse – leide ich dann nicht auch?
Auch wenn nur mein Körper krebskrank wäre, ich nicht mein Körper bin, so bin ich doch in meinem Körper. Ich empfinde Schmerzen, ich fühle auch eine Einschränkung, zumindest eine zeitlang wird die Krankheit „mein“ Leben bestimmen – schon terminlich… Ich werde vielleicht nicht sterben, weil es mich ja gar nicht gibt, doch mein Körper wird leiden.
Ja, es gibt keine Kontrolle. Alles geschieht, wann es will, wie es will. Ein bischen verstehe ich, dass das mit mir nichts zu tun hat – aber irgendwie auch nicht.
Ich wünsche dir ein langes und gesundes Leben ohne Ich
deineSteffi
Liebe Christiane,
ich habe deinen wunderbaren Bericht mit dem Herzen gelesen; langsam, meditativ, aus der Leere, aus dem, was ich bin. Und dafuer bin ich sehr dankbar, nicht nur fuer deinen ehrlichen, aus der Wahrheit auftauchenden Bericht, sondern auch fuer die Faehigkeit, aus der Leere zu hoeren/zu empfangen. Diese Faehigkeit wohnt uns allen inne, da wir das sind. Das ist Naehe, wahre Verbindung. Das einzige, was uns scheinbar zu trennen vermag, sind die Gedanken, der Verstand. Aber was ist „der Verstand“eigentlich? Eine Box in der wir scheinbar leben, jeder fuer sich? Wo ist diese Box?
Auch „ich“habe das erforscht: den Verstand gibt es gar nicht, und damit meine ich das““ich“. „Ich“ist nur ein Gedanke, womit wir unsere sogenannte Persoenlichkeit beschreiben, aber das, was ich bin, kann doch nicht beschrieben werden, oder???? Oder kann man auf Wasser schreiben? „……….ich bin der Ozean in der Welle.“
Alles passiert in mir, ohne Ozean keine Welle. In dem Erwachen, was „ich“erlebte, wurde ploetzlich klar, dass sich die Wichtigkeit verschoben hatte; von den Gedanken zu dem, woraus die Gedanken, Gefuehle, Koerper, Sinne…….. kommen. Ploetzlich konnte ich sehen, dass sich alles in mir abspielte, und damit meine ich jetzt nicht meinen Kopf, denn auch mein Koerper spielt sich in mir ab; auch ihn kann ich wahrnehmen. Mit dieser Erkenntnis tat sich ploetzlich ein Raum auf, ein Raum der Stille und Unendlichkeit, der alles enthaelt. Ich konnte ploetzlich diese Weite, die mir Australien, dem Land, in dem ich lebe, im „Aussen“spiegelte („Aussen“,weil auch Australien in mir ist, die ganze Welt, das Universum, die Universen……) erkennen…….Da war/ist nur Staunen , Ein- verstand-en-Sein, Freude…….und die Erkenntnis der Bedeutung des Wortes „Eng-stirn-igkeit“. Was sind Meinungen? Wozu ist es wichtig, meine Meinung zu verteidigen? Was koennte ich verlieren, wenn ich Unrecht habe? Nichts. Ganz im Gegenteil, man kann nur gewinnen, wenn man zu dieser Haltung kommt, die wir oft als Kinder hatten: „mir doch egal“……Dann kommt Leichtigkeit.
Danke, Christiane, dass du mir die Gelegenheit gibst, mich auch hier mitzuteilen.
Alles Liebe,
Susanne
Liebe Susanne,
ich danke dir, dass du deine Erfahrungen hier teilst. Damit bereicherst du uns alle :-).
Zu deiner Erfahrung, dass alles in dir ist, habe ich eine Frage: Du beschreibst, wie deine Wahrnehmung immer mehr umfasst, alles umfasst. Dann schließt du: Das ist alles in mir drin. (Gedanke?)
Ich hatte diese Erfahrung auch, und als ich weiter genau hingesehen habe, musste ich feststellen, dass ich das gar nicht sagen konnte. Weil der Referenzpunkt „Hier bin ich“ nicht mehr da war. Ich konnte also weder sagen, dass alles in mir sei, noch dass etwas nicht „in mir“ stattfindet, also außerhalb sei.
Zum Beispiel hatte ich mir ja vor etwa 2 Wochen diese üble Rippenprellung zugezogen. Als ich den Schmerz direkt wahrgenommen habe, war da einfach nur diese sehr starke Empfindung. Ich konnte aber nicht gleichzeitig meinen Körper wahrnehmen, vor allem nicht seine Grenzen.
Das Einzige, was ich sicher sagen kann, ist: In meiner Wahrnehmung tauchte ein sehr starkes Empfinden auf, die Gedanken nannten es „fiese Schmerzen“, das Gefühl sagte „Hilfe, will ich nicht!“
Wenn du nochmal genau hinguckst, wie stellt es sich dir dar?
Es ist schon unglaublich spannend, einfach nur in die direkte Erfahrung zu gucken!
Liebe Grüße,
Christiane
Liebe Steffi,
sich vorzustellen, dass es tatsächlich kein „Ich“ gibt, kann schon Angst machen.
Ich bin ein ziemlicher Kontrollfreak gewesen und hatte auch das Gefühl, nana, wenn das man gut geht. Schließlich wird das Wort Faulheit eigentlich erst durch mich definiert und wenn ich mich nicht zusammenreiße und am engen Zügel führe, wird einfach gar nichts mehr passieren.
Mein noch größerer Wunsch, die Wahrheit zu sehen, hat schließlich gesiegt, aber etwas mulmig und aufregend war es schon, in diesen Prozess einzusteigen.
Als ich die Wirklichkeit sah, war die Überraschung groß. Nun hatte ich meinen Mut zusammengerafft, ein furchteinflößendes Tor zu durchschreiten, sozusagen ohne Rücksicht auf Verluste. „Eintrittspreis: Ich-Abgabe“ stand auf dem Torschild.
Und als mich danach umgedreht habe, war da gar kein Tor. Dieses Ich, an dem ich so gehangen hatte und es zur Not auch mit Zähnen und Klauen verteidigt hätte, war nie dagewesen. Es war einfach nur so eine Art viraler Gedanke, der an alle Wahrnehmungen das Wort „ich“ und „mein“ anhängt.
Ich hatte also gar nichts verloren. Ich habe nur gesehen, dass ich etwas fehlinterpretiert habe. Das Leben geschieht schon jetzt, „mit Ich“ genau so, wie es ohne ich auch passiert. Und das Befreiende daran hast du ja schon geschnuppert :-).
Du hast recht, schmerzhafte Wahrnehmungen hören nicht auf, nachdem ich meinen Irrtum bemerkt habe. Bei Susannes Kommentar habe ich etwas zu der üblen Rippenprellung geschrieben, die ich mir kurz danach eingehandelt habe, als ich in der Badewanne gestürzt bin.
Trotzdem leide ich nicht mehr so stark darunter, weil das direkte Wahrnehmen der einfachen Empfindungen viel leichter ist und sich nicht mehr dieses Oskar-reife Drehbuch im Kopf abspielt.
Ich hoffe, ich konnte deine Frage beantworten.
Liebe Grüße,
Christiane
Ganz leidfrei zu sein ist laut dem Buddha ja für etwas später vorgesehen ;-).
Liebe Christiane,
danke fuer deine Antwort und die Aufforderung, es nochmal etwas genauer zu beschreiben:
Genau wie du es ja auch gesehen hast, ist da gar kein Referenzpunkt, was ich unhinterfragt als „ich „angenommen hatte. Da ist einfach Nichts (ich schreib das jetzt gross, weil das Nichts nicht nichts ist), eben Nichts, Nichts,……. was irgendeine Beziehung haben koennte; Nichts kann von nichts beruehrt werden und beruehrt auch nichts, aber alles taucht aus dem Nichts auf. Koerper, Sinneswahrnehmungen, Gedanken, Gefuehle, Tiere, Natur, Autos, Haeuser, Wind, Sonne…………und verschwindet auch wieder; das, woraus aber alles auftaucht bleibt und ist lebendige Stille, Liebe, Frieden, Wahrheit,….(die Beschreibungen hinken irgendwie), aber als das habe ich mich erkannt. Auch das koennte jetzt wieder nach einer neuen Identifikation klingen, aber wie kann ich mich als Nichts identifizieren? Wo ich das gerade hier so schreibe………., komisch……blank…….Leere…….ich kann ES nicht in Worte fassen…………………….war ein Versuch.
Dieser Koerper etc. erscheint hier als DAS. Und diese Sinneswahrnehmung, genannt Schmerz durch Rippenprellung……ist auch DAS,eben so genannt. Alles ist Nichts und Nichts ist Alles. Alles ist goettlich, eins, ob nun mit oder ohne Glaube an ein „ich“.
In der direkten Erfahrung wird nur immer wieder klar, dass eben alles einfach passiert und auftaucht, aber eben nicht jemandem passiert (auch wenn es so scheint).
Ein Gedanke taucht auf, aber eben nicht in meinem Kopf, sondern im Bewusstsein.
Alles Liebe,
Susanne
Liebe Susanne,
wow! Du hast wunderbare Worte dafür gefunden. Da bleibt…Nichts….mehr zu sagen.
Liebe Grüße,
Christiane