Ohne Glauben

Religion ohne Glauben

Kann es eine Religion ohne Glauben geben? Im Buddhismus wirst du sogar ausdrücklich aufgefordert, nicht zu glauben, sondern dir selbst Gewissheit zu verschaffen.

Mein letzter Artikel war eigentlich eine Zumutung. Der Buddha sprach da mit dem Feldhauptmann von himmlischen und Höllenwelten. Er sagte, bestimmte Handlungen hätten bestimmte Folgen. Damit meinte er karmische Folgen (kamma). Glaubst du an Himmel und Hölle, an Karma? Nein? Gut!

Was soll man eigentlich glauben?

Auch zur Zeit des Buddha gab es viele verschiedene religiöse Lehren. Die damaligen Asketen und Brahmanen (religiöse Kaste) zogen durch die Orte und verkündeten ihren Glauben als den einzig richtigen.

Sie kamen auch im Ort Kesaputta vorbei. Dort lebte der Stamm der Kalamer. Auch in Kesaputta behaupteten die reliösen Lehrer der unterschiedlichen Schulen alles Mögliche. Die einen sagten, es gäbe ein Jenseits mit himmlischen und höllischen Bereichen, die anderen wiederum behaupteten, mit dem Tod sei alles vorbei.

Manche lehrten, dass jeder eine ewige Seele habe, andere hielten das für blanken Unsinn. Dabei machten sie die Lehrer der anderen Schulen schlecht, sie beschimpften und verachteten sie.

Kommt dir das bekannt vor? Es hat sich wohl nicht viel an der religiösen Diskussion geändert.

Eines Tages kam auch der Buddha nach Kesaputto. Da ihm ein herausragender Ruf vorauseilte, beschlossen die Kalamer, ihn nach dem richtigen Glauben zu befragen.

Die vollständige Lehrrede kannst du im Online Palikanon nachlesen.

 

Gespräch der Kalamer mit dem Buddha – Kalama-Sutta

Die Kalamer stellten dem Buddha die Frage:

„Es kommen da, o Herr, einige Asketen und Brahmanen nach Kesaputta; die lassen bloß ihren eigenen Glauben leuchten und glänzen, den Glauben anderer aber beschimpfen, schmähen, verachten und verwerfen sie. Wieder andere Asketen und Brahmanen kommen nach Kesaputta, und auch diese lassen bloß ihren eigenen Glauben leuchten und glänzen, und den Glauben anderer beschimpfen, schmähen, verachten und verwerfen sie. Da sind wir denn, o Herr, im Unklaren, sind im Zweifel, wer wohl von diesen Asketen und Brahmanen Wahres, und wer Falsches lehrt.“ –

„Recht habt ihr, Kalamer, daß ihr da im Unklaren seid und Zweifel hegt. In einer Sache, bei der man wirklich im Unklaren sein kann, ist euch Zweifel aufgestiegen. “ 

Der Buddha bestätigt ausdrücklich, dass sie zu Recht an den verschiedenen Glaubensmeinungen zweifeln. Denn woher soll man wissen, was stimmt?

 

Der Buddha empfiehlt eine Religion ohne Glauben

Und was der Buddha jetzt vorschlägt, ist für eine Religion geradezu revolutionär.

„Geht, Kalamer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters!“

Wow! Darin sind eigentlich alle Gründe enthalten, warum man eine Ansicht übernehmen könnte.

 

– Nicht nach Hörensagen

Du kennst das. Jemand sagt, „ich habe gehört, der hat gesagt, dass…“. Und am Ende ist das Gesagte ungefähr so genau wie das, was bei dem Spiel „Stille Post“ herauskommt.

 

– Nicht nach Überlieferungen

Der Tradition zu folgen ist ja bei uns für die meisten nicht mehr modern. Aber heißt das, es ist richtig, die Tradition einfach über Bord zu werfen?

 

– Nicht nach Tagesmeinungen

Denn die ändern sich schnell, und niemand kann sagen, ob sie wirklich zutreffen. In der letzten Woche stand das Wort Pegida für rassistisch, rechtsradikal und antiislamisch. In dieser Woche wird Pegida die Verteidigerin des Grundrechtes auf freie Meinungsäußerung.

 

– Nicht nach der Autorität heiliger Schriften 

Das ist jetzt wirklich starker Tobak. Viele Menschen sehen Heilige Schriften als ihre klare Leitlinie, manchmal das direkte Wort Gottes an. Und nun sagt der Buddha, man soll sich nicht automatisch nach ihnen richten! Das gilt natürlich auch für die buddhistischen „Bibel“, den Pali-Kanon, aus dem ich gerade zitiere.

 

– Nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen

Dieser Satz geht an alle Anhänger der Vernunft und Logik: auch sie ist nicht der endgültige Maßstab. Ich weiß gerade nicht, von wem dieser Ausspruch stammt: „Die Logik ist eine Hure“. Ja, sie legt sich mit jedem Wunsch ins Bett.

 

– Nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen

Wenn jemand etwas rechtfertigen möchte, kann er sich dazu eine passende Theorie ausdenken. Darin sind Theorien eng mit der Logik verwandt. Auch eine Meinung gut zu finden, bietet keine Orientierung, sondern einfach eine Bestätigung meiner Meinung – sonst fände ich sie ja nicht gut.

 

– Nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge

Auch wenn jemand durch seine Person überzeugt und man glaubt, er habe sehr gute Charaktereigenschaften – auch das reicht nicht, um ihm alles abzunehmen, was er sagt. Schließlich können wir nicht hinter seine Stirn sehen.

 

– nicht nach der Autorität eines Meisters

Wenn ich das vor 30 Jahren gewusst hätte, wäre ich nicht einem außerordentlich charismatischen Guru gefolgt und dann in einer ziemlich schlimmen Sackgasse gelandet. Aber auch allen anderen Meistern einschließlich dem Buddha sollen wir nicht wegen ihrer Autorität folgen.

Fällt dir noch ein Grund ein, weshalb man jemandem glauben sollte? Mir nicht. Was bleibt denn dann als Orientierung für einen geistigen Weg?

 

Der einzig gültige Maßstab in einer Religion ohne Glauben

„Wenn ihr aber, Kalamer, selber erkennt: ‚Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden‘, dann o Kalamer, möget ihr sie aufgeben.“

Ohne Glaube ist der einzig gültige Maßstab also, ob man selbst erkennt, dass Dinge unheilsam oder verwerflich sind.

Modern ausgedrückt: Alles, was einem selbst oder anderen Stress macht oder sogar Schaden zufügt, sollte vermieden werden.

Ja, auch was einem selbst Stress oder Unannehmlichkeiten bereitet. Ich versuche zwar oft, zu anderen rücksichtsvoll und großzügig zu sein, aber auf mich selbst achte ich nicht genauso gut. Wie geht es dir damit?

„Verständige“, also Menschen, die die Gesetzmäßigkeiten der Existenz durchschaut haben, würden solche Handlungen ebenfalls nicht gutheißen.

 

Experiment ohne Glauben

Auch diese Empfehlung ist natürlich etwas, was niemand einfach glauben soll. Wie kann man nun vorgehen?

Am besten mit einem Experiment. In der Physik wird eine Annahme (Hypothese)aufgestellt, dann werden Versuche gemacht, die diese Annahmen entweder bestätigen oder widerlegen.

Genauso kannst du es auch machen:

Die Hypothese wäre:

Wenn ich so handele, dass ich weder mir noch anderen Unannehmlichkeiten bereite oder sogar Schaden zufüge, bringt es mich in Richtung Heil voran.

Als Anhaltspunkte kannst du dafür die Fünf Tugendpfade nutzen.

Und dann führe Tagebuch über das Ergebnis. Wie geht es dir? Wie fühlst du dich? Hast du erfreuliche oder unerfreuliche Begegnungen? Wird das Leben leichter oder nicht? Empfindest du mehr Freude?

Es heißt, dass die Lehre am Anfang wohltut, in der Mitte wohltut und am Ende wohltut. Wenn sie also stimmt, müsste dein Leben leichter werden und du dich wohler fühlen. Du erlebst mehr Freundlichkeit und Freude.

Übrigens – physikalische Experimente glücken meistens nicht nach dem ersten Versuch und manche erst nach längerer Zeit und viel Herumtüfteln, weil die Versuchsanordnung nicht gestimmt hat oder etwas verunreinigt war.

Wenn es bei dir nicht gleich klappt, überprüfe die Versuchsanordnung. Achte dabei vor allem auf deine Absichten. Wohlwollende Absichten sind das wichtigste. Sie formen das, was wieder auf dich zukommen wird, dein Karma. Diese Aussage kannst du mit dieser Versuchsanordnung auch gleich noch testen.

Probiere es aus!

 

Übersetzung Kalama-Sutta von Fritz Schäfer, Der Buddha sprach nicht nur für Mönche und Nonnen.

Bild: Stockfoto-ID: 48520229 Copyright: stockyimages

 

Hast du schon eine Idee für dein Experiment? Schreibe deine Gedanken in die Kommentare.